Leidenschaft die Leiden schafft.

Berührungen sind ein menschliches Bedürfnis, das unser aller Wohl und Wehe maßgeblich prägt. Sie zuzulassen hat etwas mit sich selbst fallen lassen können zu tun und ob wir kitzelig sind oder ein sanftes Streicheln lächelnd genießen, hängt mit der Fähigkeit zusammen, ob wir unserem Körper erlauben sich zu entspannen.

Lachen ist grundsätzlich gesund, aber es ist eine schmale Gratwanderung beim Sex, ob wir aus Verlegenheit oder aus Vergnügen kichern. Ernsthafte Leidenschaft hat durchaus etwas mit Stille zu tun, die möglicherweise schwer zu ertragen ist. Einander lange schweigend in die Augen zu sehen, kann eine der intimsten menschlichen Interaktionen sein, ist, aber auch gerade deshalb herausfordernder als man meinen sollte. Die serbische Künstlerin Marina Abramović hat sich im Rahmen einer ihr gewidmeten Retroperspektive im MoMA diesem Blickduell gestellt und mit ihrer Ausdauer Performance viel Aufsehen erregt. Sie saß drei Monate lang, während der gesamten Ausstellungsdauer, sieben Stunden am Tag an sechs Tagen in der Woche in der Mitte des Atriums des Museums of Modern Art in New York bewegungslos auf einem Stuhl.  Ausstellungsbesucher:innen standen Schlange, um sich ihr gegenüberzusetzen. Wie lange die jeweiligen Besucher:innen ihr gegenübersaßen war ihnen absolut freigestellt. Der so eingegangene schweigende Dialog wurde von vielen Teilnehmer:innen als die emotionalste menschliche Begegnung ihres Lebens beschrieben. Das sollte einem zu denken geben. Wir leben in einer Welt des materiellen aber auch geistigen Überflusses. Wir sind so dauerstimuliert, dass unsere Sensoren taub geworden sind.

Plitsche Frauen gründen Imperien basierend auf dem Aufräumen anderer Leute Wohnungen und reduzieren, was das Zeug hält. Die Sehnsucht nach Reduktion hat mit einer Sehnsucht nach Freiheit zu tun, die möglicherweise unerreicht bleiben muss. In der Abramović Performance gab es Menschen, die den Blick nur Sekunden ausgehalten haben und die dann weinend weggelaufen sind.

Es gibt Menschen, denen der Blick in die Augen des Anderen schwerer fällt, als dessen Genitalien in den Mund zu nehmen. Das hat möglicherweise damit zu tun, dass Aktionen grundsätzlich einfacher zu ertragen sind als ausharrender Stillstand. Der österreichische Kommunikationswissenschaftler und Philosoph Paul Watzlawick definiert jedoch fünf pragmatische Axiome, die die menschliche Kommunikation erklären und ihre Paradoxie aufzeigen. Das erste Axiom besagt, man kann nicht nicht kommunizieren. Allein unsere Präsenz und Körpersprache sind der Beginn einer Kommunikation. Sich seines Körpers bewusst zu sein ist eine Leistung und Herausforderung, denen sich viele Menschen zeitlebens nie stellen. Demzufolge weicht man aus und erzählt vielleicht sogar an der falschen Stelle einen Witz.

 Die Bemühung Situationen durch Humor zu entschärfen ist einerseits charmant, aber anderseits auch schlichtweg schade. Dramatische Gesten sind eigentlich romantisch und wenn man es schafft nicht aus der Rolle zu fallen unfassbar sexy. Sie haben aber auch mit Mut zu tun, der oft nun mal einfach fehlt.

Angesichts dessen retten wir uns in Übersprungshandlungen und verstecken unsere schmutzigen Fantasien unter einer bequemen Vanille Glasur.

Die durchaus erfolgreichen Bemühungen der Erotikindustrie, Sexualität Wohnzimmer tauglich zu machen, haben Bewegung in den Umgang mit Erotik gebracht. Die Verruchtheit der Nacht wurde rosa eingefärbt und ins Tageslicht gezerrt, eigentlich natürlich um Türen zu öffnen, aber mich lässt das Gefühl nicht los, dass das Pferd von der falschen Seite aufgesattelt wurde und man damit eher Türen geschlossen hat.

Eine neue Freiheit bedeutet für mich nicht die Verniedlichung unserer Sexualität, sondern die Toleranz gerade seinen eigenen Bedürfnissen gegenüber, dass alles, was einen geil und glücklich macht, zumindest im eigenen Kopf grundsätzlich in Ordnung ist.

Ausgenommen sind selbstverständlich die Fantasien und Handlungen, bei denen andere Personen oder Tiere in welcher Form auch immer zu Schaden kommen.

Swinger nennen NICHT-Swinger Muggel. Das ist ein Thema, dass mich schon lange beschäftigt. Wenn ich an Sex denke, möchte ich nicht an Huffelpuff und Gryffindor denken und eigentlich möchte ich meine Sexualität auch aus Kinderbuchkontexten grundsätzlich fernhalten. Nun bin ich persönlich auch keine Swingerin, aber mich befremdet wie selbstverständlich, sich eine Sprache sogar in so explizitem sexuellem Kontext etabliert hat, die sich bemüht das Spiel miteinander zu verniedlichen. Wir reden nicht nur von Sexspielzeug, sondern spielen auch auf Spielwiesen. Was hat Sex auf abwischbaren Unterlagen mit einer Wiese zu tun und warum lassen sich nicht für so ein großes und wichtiges Thema neue Begriffe finden? Inuit kennen so viele Worte für Schnee, wäre es nicht eine wundervolle Weiterentwicklung unserer Sprache Worte zu finden, die unsere neu gewonnene Vielschichtigkeit im körperlichen Miteinander fortschrittlich prägt? Worte, die sich in unseren Mündern gut anfühlen und keine peinlich berührte und peinliche berührende Übersprungshandlung sind. Das Spiel miteinander kann bleiben, aber Harry Potter sollte definitiv die Party verlassen. Zumindest im Leben von Menschen, die keine Zauber:innen und oder Einhörner sind. Mal ganz im Ernst. Etwas mehr Mut auch im Bereich der Ausdrücke wäre doch mal eine geile Herausforderung. Ich gebe zu, die Begierde nach Instrumenten der Leidenschaft und eine gegenseitige Schmelzung auf einer Luststadt verursachen im Moment sogar bei mir noch ein bisschen Gänsehaut der peinlichen Berührtheit, aber vielleicht kann man mit ein bisschen Geduld und Übung über sich selbst hinaus wachsen. Mein Appell an Euch in diesem Sommer ist es Euch ein Herz zu fassen und leidenschaftliche Stille zuzulassen. Eure Partner:innen mit lächelnden Augen zu verzaubern und zu Dingen zu verführen, die wir nicht in Worte fassen zu vermögen.

Und wenn das alles nicht reicht, gibt es hier auf Pli sogar ein Unicorn zu kaufen. Nichts ist unmöglich in unserer mutigen Neuen Welt.

Mit Liebe und Leidenschaft.

Eure Anna Banana

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